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#ChatBox: Zu Besuch in der Kleiderbibliothek

Debora Alder-Gasser sieht in der Minderung der Armut ihre ganz «persönliche Aufgabe» und glaubt, dass wir durch den Konsum, insbesondere dessen Mässigung, einen grossen Unterschied machen können. In der #ChatBox spricht sie über ihr Slow-Fashion-Business, ihre persönliche Überzeugung und die Verantwortung, die ein privilegiertes Leben mit sich bringt.

Die Rolltreppe fährt noch nicht, die mich hinauf ins zweite Obergeschoss eines Gewerbehauses in der Berner Altstadt bringen soll. Während die anderen Geschäfte, die Lebensmittel- und Elektroläden, bereits rege besucht werden, ist die TEIL-Boutique noch geschlossen und öffnet erst am Nachmittag, zumindest für die TeilerInnen, wie die KundInnen hier genannt werden. Einige Lichter brennen bei TEIL nämlich schon, denn Debora erwartet mich bereits. Debora ist eine der Initiantinnen des Ausleihgeschäfts TEIL und ist auch heute als Kommunikationsfrau und Netzwerkerin ein wichtiger «Teil von TEIL». Warum TEIL erst am Nachmittag öffnet, hat einen ganz einfachen Grund: Alle Mitarbeitenden von TEIL arbeiten ehrenamtlich, «da lässt sich nicht die ganze Woche jemanden finden, der den Laden betreibt». Aber auch so läuft das Geschäft: TEIL gibt es bereits seit über drei Jahren.

 

«Wir träumen davon, dass der Konsum

von Kleidern überdacht wird.»

 

Debora beschreibt TEIL nur ungern mit dem Wort «Laden». Es sei so viel mehr: eine Bibliothek, ein Kleiderschrank, ein Ort, wo Gastfreundschaft gelebt wird und eine Vision. Das Team von TEIL versteht sich als Gegenpol der Fast-Fashion-Industrie und möchte mit seinem Geschäft Mode ermöglichen, die weder Klima noch Umwelt schadet oder anderen Menschen Schaden zufügt. «Wir träumen davon, dass der Konsum von Kleidern überdacht wird. Dass kaufen nicht die einzige Variante ist», so Alder-Gasser. Das Prinzip dahinter ist, dass sich TeilerInnen als Teil eines Abos Kleider über eine gewisse Zeitspanne ausleihen. «Wenn man etwas ausgeliehen hat, von dem man sich nicht mehr trennen kann, verkaufen wir die Stücke auch», erklärt Debora schmunzelnd. Fehlkäufe seien nämlich ein Problem unserer heutigen Konsumgesellschaft: Man kaufe sich Stücke, ohne sie getragen zu haben und merke dann erst zuhause, dass es nicht passe. «Wenn man die Stücke vorher aber im Alltag erproben konnte, ist es in der Regel eine gute Kaufentscheidung», so Debora. Sie seien nicht grundsätzlich gegen das Kaufen, sondern für das «bewusste» Kaufen.

 

«Wir haben in der Schweiz so viele Privilegien.

Und Privilegien bringen Verantwortung mit sich.»

 

Offensichtlicher Armut begegnet Debora in der Schweiz nur selten. Dass wir sie, mit unserem unbedachten Kleiderkauf, in den Produktionsländern indirekt verschlimmern, lässt sich einfach ignorieren. Und hier braucht es zwingend mehr Aktionismus, findet Debora: «Wir müssen die bewusste Entscheidung treffen: Hei, das geht mich was an.» Sie sieht sich dabei klar in der Verantwortung: «Wir haben in der Schweiz so viele Privilegien. Und Privilegien bringen Verantwortung mit sich.» Der Konsum ist eine grosse Chance, wie wir alle einen Unterschied machen können und unsere Verantwortung als Endverbraucher in der Konsumkette wahrnehmen, auch wenn unser Einfluss nicht direkt ersichtlich ist.

 

«Wissen allein ändert unser Verhalten nicht.»

 

Als starker Gegenspieler lebt die Modeindustrie von dem ständigen Wechsel an der Kleiderstange und zieht die Gesellschaft in unseren Breitengraden mit sich. Laut einem Bericht von SRF kaufen wir heute 400% mehr Kleider als vor 20 Jahren. Die enge Hüfthose von letzter Saison weicht der weiten Baggy-Jeans, die sich in den Schaufenstern präsentiert – und dieser Stilwechsel passiert heute schon mehrmals jährlich. Es braucht ein Umdenken. Ein Schlüssel hierfür sieht Debora in der Sensibilisierungsarbeit: «Die meisten Menschen wissen, dass unser Konsum auf Kosten von Ausbeutung funktioniert. Doch Wissen allein ändert unser Verhalten nicht. Wir müssen darüber sprechen, wie man Gewohnheiten ändert.» Trotz fernem Ziel und wachsendem Konsum bleibt Debora positiv gestimmt. Sie glaubt an das Ausleihen von Kleidern als Alternative zum Kauf und ein Umdenken in der Gesellschaft. Immerhin: «Bis jetzt haben uns wenige gesagt, es sei eine schlechte Idee.»

 

Das Gespräch mit Debora Alder-Gasser findest du auf unseren Instagram- und Facebook-Kanälen.

 

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